Ein halbes Jahr musste ich warten – dann war es soweit: Ich habe erfahren, dass ich tatsächlich Krebs hatte und zugleich, dass er erfolgreich entfernt worden war. Diese Mischung aus Erleichterung und Schock ist nicht in Worte zu fassen und gleichzeitig einfach eine Überforderung.
Krebs war nur der Höhepunkt
Mein ganzes Leben hat sich im letzten Jahr nur um Krankheit und Gesundheit gedreht: Herzprobleme, Lungeninfarkt, Bandscheiben-Operation und Nierenkrebsentfernung. Es war teilweise echt die Hölle: Die flapsige Bemerkung eines Arztes während meines Lungeninfarkts im Spital im Vorbeigehen, ob ich eh wüsste, dass ich einen Nierentumor hätte, dann über ein halbes Jahr Ungewissheit. Gerade erst hatte ich mit der Unsicherheit über eine Herzerkrankung zu kämpfen gehabt. Dann monatelange Hölle mit Bandscheibenschmerzen, bis die Rettung mich aus der Wohnung abholen musste, weil ich nicht mehr aufstehen konnte, und die Operation vorgezogen wurde.
Seelische Narben
Es macht viel mit einem, wenn man ein Jahr lang zwischen Ungewissheit, Schmerzen und Todesangst verbringt. Dazu kommt, dass ich dann wegen Corona als Risikopatient kaum Freunde treffen konnte – bei meinen Spitalsaufenthalten keinen Besuch haben durfte. Auch finanziell geht so etwas nicht spurlos an einem vorüber: Die hohen Gesundheitskosten gepaart mit Einkommensverlusten machen das Leben in dieser Situation nicht gerade einfacher. Jetzt kann ich ein bisschen nachfühlen, was chronisch Kranke durchmachen müssen. Auch wenn ich nur einen Vorgeschmack erleben musste.
Was bleibt?
Was bleibt nach diesem Jahr? Finanziell wird die Erholung lang brauchen. Vom Bandscheibenvorfall bleibt eine teilweise Fußlähmung, von der noch nicht sicher ist, ob sie wieder ganz vergehen wird. Die Herzprobleme sollten in den Griff zu bekommen sein – mit Training und Disziplin. Vom Krebs selbst bleibt eigentlich nichts. Wäre da nicht die tief sitzende Angst vor einem Rezidiv. Und dann sind da noch Folgen, die immer wieder ganz unerwartet aufpoppen. So habe ich erfahren, dass ich, da ich einmal an Krebs erkrankt war, nie wieder Blut spenden darf. Gut, die Welt wird auch problemlos ohne mein Blut zurechtkommen. Aber dieses Gefühl, einfach gebrandmarkt zu sein, einfach nie wieder ganz gesund zu sein… Da muss man erst einmal damit zurechtkommen.
Derzeit befinde ich mich auf onkologischer Rehabilitation in St. Veit im Pongau. Es hilft, zu verarbeiten. Mit viel Training und Therapie kann ich auch schon besser gehen. Es kommt viel hoch, was in diesem meinem ganz persönlichen „annus horribilis“ unterdrückt worden war. Und das ist gut so. Denn nur so wird ein Neustart ins Leben gelingen.
Schluss mit Hinsichtl und Rücksichtl
Ich werde definitiv nicht mehr derselbe sein. Vieles wird anders, vieles wird besser, effizienter und konsequenter sein. Wenn Du ein Jahr lang immer wieder das Gefühl hast, Dein Leben könnte bald vorbei sein, lernst Du, alles neu zu bewerten. Was hätte noch Bedeutung, wenn ich nur noch wenige Monate zu leben hätte? Genau diese Frage führt zu einer völlig anderen, viel gesünderen und besseren Lebenseinstellung. Da gibts kein ewiges Abwägen, kein ewiges Hinsichtl und Rücksichtl. Da gibts nur ein Tun oder Lassen. Das klappt nicht von heute auf morgen. Aber es ist meine feste Überzeugung geworden und soll Prämisse für den Rest meines Lebens sein.
Einfach tun
Ich werde viel ausprobieren, um herauszufinden, wobei ich mich wohlfühle, was mir Spaß macht, was ich in meinem Leben als sinnvoll sehe. Das trifft auch mein Blog. Es hat mich schon über eineinhalb Jahrzehnte begleitet – und wird es weiterhin. Das trifft auch meine Social Media Accounts. Ich werde schreiben, was mir am Herzen liegt, twittern, was mir in den Sinn kommt, fotografieren, was mir Freude macht – und das auch publizieren. Erst später werde ich entscheiden, worauf ich mich fokussiere.
Jetzt mache ich mich daran, das Leben wieder zurückzuerobern, neu für mich zu entdecken. Tag 1 nach dem Krebs hat begonnen.