Aus persönlichen Gründen war ich gestern nicht in der Lage, einen Blog-Eintrag zu schreiben: Daher heute mein Nachtrag.
Der Slowenien-Krieg war vorbei, ich hatte mein Jus-Studium an der Uni-Graz begonnen. Und 1992 war es schließlich soweit: Ich war wieder beim EF-Jahr dabei. Eingestiegen bin ich beim AOAK (Allgemeiner Offiziersanwärterkurs). Der härteste Teil der Ausbildung. Das letzte Mal war ich dabei ausgeschieden. Ich habe diesen Teil gehasst. Und ich habe gewusst, warum. Nur ein Tag Sprachausbildung. Der Rest der Woche: Sport und militärische Ausbildung. Also so ziemlich das genaue Gegenteil von dem, was ich als “Unsoldat” gemocht habe. Aber da musste ich jetzt durch.
Der Teil war echt kein Honiglecken. Ausbildner waren “frisch gfangte” Fähnriche von der MilAk. Hochmotiviert. Hohe Anforderungen. Null Toleranz. 6 Uhr Morgens: Raus in die Kälte. Morgenlauf in Eiseskälte und dichtem Nebel die Mur entlang. Erst nachher Körperpflege, Frühstück, Standeskontrolle. Ich bin kein Frühaufsteher. Ich bin kein Sportler. Beides zusammen: Albtraum.
Und erst der Ordnungsfimmel: Mir als “Captain Chaos” der Kompanie ein absolutes Gräuel. Da heißt es dann: Ohren auf Durchzug schalten, durchhalten. Samstag 12:30 Uhr. Noch schnell eh´s ins Wochenende geht: Spindkontrolle. Und das mir. Aber was soll´s: Augen zu, Ohren auf Durchzug und durch. Der übliche Anpfiff: “Korporal Loub, Spind auf!” “Jawoll!” “Ist das Ihr Spind, Korporal?” “Jawoll!” “Soll das aufgeräumt sein?” “Jawoll” (nur net nachlassen) “Und das halten Sie jetzt echt für aufgeräumt?” (Durchhalten, bin eh gleich am Weg nach Wien) “Jawoll!” “Und so wollen Sie jetzt ins Wochenende?” (Verdammt noch mal, wohin sonst?!?) “Jawoll!” “Und da glauben Sie jetzt, da reicht ein so chaotischer Spind?” (Nur nicken, nur zustimmen) “Jawoll!” “Ja halten Sie mich denn für völlig verrückt?” “Jawoll!” (oh verdammt, das war jetzt wohl ein “jawoll” zuviel. Ooops, Sachen gibts 😉 ) Gelächter der Kameraden. Ein rot anlaufender Ausbildner. Manchmal hilft´s auch, mit unkonventionellen Mitteln durchzukommen. Jaroslav Hašek hatte mit seinem “braven Soldaten Švejk” nicht wirklich unrecht 😉 Mein Oberst hat mich übrigens dann in der Woche darauf zu sich geholt. Ich möge die Fähnriche nicht so ärgern. Sie brauchen ihre Autorität. Naja, wenn´s weiter nichts ist…
Freilich ist´s bei der Ausbildung nicht darum gegangen, die jungen Männer zu hirnlosen Maschinen zu machen. Wir wollten Offiziere werden. Da ist ein wenig Hirn nicht von Nachteil – ganz im Gegenteil. Nur: Im Unterschied zu so manchem “gewöhnlichen” Zivilberuf, langt es nicht, wenn Denken, strategisches Planen und Analysieren bei einem gemütlichen Kaffee im Büro funktioniert. Da geht´s darum, im Ernstfall, also auch im Krieg, bei zerrütteten Nerven, ohne Schlaf und unter Lebensgefahr kluge Entscheidungen zu treffen, nicht einfach nur “zu funktionieren”.
Und das wurde auch getestet. In verschiedensten Variationen. Nach wenig Schlaf, 6-Uhr-Morgenlauf, einem Tag im Lehrsaal, Nachtmarsch angesetzt. Es ist Mitte Februar. Ein eisiger Wind weht im Süden von Graz. Sternklare Nacht. Vollmond. -17°C (ohne Windchill). Orientierungsmarsch mit diversen Aufgaben. Die ganze Nacht durch. Als Gruppenkommandant ein Kamerad, der nicht unbedingt als bester Orientierer gilt. Und das führt schnell zum Chaos. Nach der ersten Stunde haben wir keine Ahnung mehr, wo wir sind. Nur Bäume, Schnee, Mond, Kälte. Die Ausbildner funken uns an, wo wir sind. “Keine Ahnung!” meldet der Kommandant wahrheitsgemäß. “Ok, wir hupen jetzt mal, dann haben Sie eine Richtung, in die Sie marschieren können!”. Nichts zu hören. Wir haben uns echt weit verirrt…
Um 6 Uhr früh erreichen wir schließlich nach diversen Übungen, einem Spaziergang durch einen nächtlich dunklen Soldatenfriedhof das Ziel: Einen Truppenübungsplatz. Schon beim Sichern fallen mir die Augen zu. Nur nicht erwischen lassen. Dann endlich am Ziel. Behelfszelt aufbauen – mit dem Regenschutz. Ab in den Schlafsack. Verdammt, wo ist das Loch für den Kopf? Wurscht, aufmachen und rein damit. 2 Stunden später Tagwache. Verdammt kalt. Die Zehen frieren. Verdammt, jetzt weiß ich, wo das Loch für den Kopf war: Dort, wo jetzt die Schuhe rausschauen. Reife Leistung. Der Un-Soldat hat seinem Ruf alle Ehre gemacht. Wenigstens gehöre ich nicht zu denjenigen, die jetzt mit Verkühlung und Magenbeschwerden abbrechen müssen. Immerhin die Hälfte der Männer. Ich bleibe. Schießübungen, Gefechtsdienst. Gegen Abend geht´s dann wirklich nach Hause. Geschafft.
Solche Übungen führen echt ans Limit – und darüber. Viel wichtiger ist allerdings zu testen, wie belastbar und leistungsfähig die EF dabei sind. Eine berüchtige Übung: 2 Tage und 2 Nächte durchmachen. Wie Party – nur mit Arbeit. Vorträge, die zum Einschlafen verführen. Laufen, mit und ohne Gepäck. Gefechtsausbildung. Waffenkunde. Und Unmengen Tests: Wissenstests, praktische Übungen und psychologische Tests. Eine der härtesten Erfahrungen. Die Auswertungen erfolgen zentral in Wien. Relevant neben der Leistungsfähigkeit das Ergebnis der psychologischen Tests. Wer hier durchfällt, kann im Ernstfall versagen. Wer hier durchfällt, ist sofort aus dem Kurs draußen. Den Druck spüren wir. Das macht´s nicht leichter. Aber geschafft.
Viel gäbe es noch zu erzählen. Von den Erfahrungen am Schießstand über eisige Übungen auf der Seetaler Alpe mit Abtransport im Akja bis zu den eindrucksvollen Gefechtsvorführungen in Allentsteig. Doch das ist eine andere Geschichte. Dafür reicht das Blog diesmal nicht.
Am Ende habe ich es dann doch geschafft. Die körperlichen Voraussetzungen musste ich nach dem AOAK noch einmal unter Beweis stellen, um wirklich alle Limits zu schaffen. Tägliche Laufrunden den ganzen Sommer, während andere beim Bier im Soldheim gesessen sind. Aber das war´s wert. Im September bekomme ich mein Dekret: Offiziersausbildung erfolgreich abgeschlossen. Beförderung zum Wachtmeister. Und mit dem neuen Jahr werde ich selbst zum Tschechisch-Ausbildner. Ein neuer Abschnitt hat begonnen.